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TSG Group | ehem. NOWA

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Das 1927/28 von dem Berliner Architekten Alwin Weiß entworfene Hauptgebäude für die Chemnitzer NOWA Strumpffabrik AG stellt ein bedeutendes Zeugnis der klassischen Moderne und der herausragenden Bedeutung der Textilindustrie in der Chemnitzer Region dar. Ein breit gelagerter Produktionstrakt wird gegliedert durch ein vorgelagertes Treppenhaus mit vertikalem Lichtband. Die Fassade aus schmalen dunkelroten Handstrichziegeln weist eine elegante handwerkliche Textur vor- und rückspringender Ziegelreihen auf und wird durch Fensterbänder, die gesimsartig gefasst werden, über Eck gegliedert. Prägend sind die beiden bauzeitlichen lebensgroßen Plastiken aus Rochlitzer Porphyr im Torbereich, die die Gewinnung der Textilfaserrohstoffe allegorisieren. Die Gestaltung des Gebäudes steht unter dem Einfluss des Bauhauses und ist damit von überregionaler baugeschichtlicher Bedeutung.

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Das Ensemble der NOWA ist eng verbunden mit dem Namen Horst Pfotenhauer, der die Fabrik bis nach Kriegsende fortführte und in einem Schauprozess von der sowjetischen Militäradministration verurteilt wurde. Bis 1992 wurden in den enteigneten Anlagen als „VEB Strumpffabrik NOWA Bernsdorf“ Strümpfe produziert.

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1994 wird das Areal von Gotthard Tröger, Inhaber einer kleinen Gürtlerei im benachbarten Lichtenstein/Sa. von der Treuhand erworben. Das ursprünglich auf die Fertigung von Wohnraumleuchten spezialisierte Unternehmen entwickelte sich nach der Wende zu einem der bedeutendsten Oberflächenzentren Sachsens mit namhaften Kunden im Automotive- und Sanitärbereich.

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Mit der Übernahme des Fabrikgeländes durch die Firma Tröger erfolgte schrittweise auch eine Sanierung des Hauptgebäudes. U.a. wurden die Putzbänder saniert und in einem zeittypischen Gelbton gestrichen und die damals noch vorhandene Industrieverglasung durch weiße PVC-Fenster in einer 6-Teilung ausgetauscht. Die Klinkerflächen selber waren und sind es auch heute noch überaus robust und mussten maximal partiell repariert werden. Die Grundstruktur des Gebäudes als Stahlbetonskelettkonstruktion mit hoch dimensionierten Decken, die ursprünglich für die schweren Webstühle konzipiert waren, erwies sich ebenfalls als sehr stabil und konnte nahezu unverändert in den Folgejahren für die neue Produktion genutzt werden. Seit etwa 2000 wurde das Firmenareal stufenweise erweitert und den neuen Produktionsweisen angepasst – das dominante Hauptgebäude ist bis heute der Kern des Areals.

Nach einer Standzeit von weiteren 25 Jahren war in den Jahren 2021 - 2024 ein erneuter Sanierungszyklus am Hauptgebäude erforderlich. In diesem Zusammenhang bestand der Wunsch der neuen Geschäftsführung nach einer deutlich authentischeren Gestaltung als in den 90er Jahren. Dies betraf sowohl die Farbe der Putzbänder als auch die Gestaltung der Fenster. Die Putzbänder waren ohnehin grundhaft bautechnisch zu sanieren, die PVC-Fenster waren als Bauteile ersten Typs am Ende ihrer Lebensdauer und wiesen zudem statisch-konstruktive Mängel auf.

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Der Vergleich von Bestandszeichnungen und alten Fotos zeigt, dass in den Zeichnungen eine 9-Teilung dargestellt ist, während offensichtlich tatsächlich eine 8-Teilung ausgeführt wurde, die mit 4 Tragpfosten und schmale Sprossen im Wechsel rhythmisiert war, so dass jeweils 2 Doppelöffnungsflügel integriert waren, die Außenfelder aber jeweils als Schmalfeld begannen. Alle Formate waren deutlich stehend ausgeführt.

Konzept der Fensterneugestaltung
Die prinzipielle Gestaltung wurde aufgegriffen, indem analog der ursprünglichen Gestaltung wiederum 4 Tragpfosten ausgebildet wurden, wobei die Randfelder jeweils als Schmalfeld beginnen. Zusammen mit den eingefügten Sprossen wird an die ursprüngliche 8-Teilung angeknüpft. Das Fenster wird im Wesentlichen festverglast, lediglich das mittlere untere Feld erhält einen Dreh-Kippflügel.

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Die Fenster wurden als flächenbündige Aluminiumkonstruktion konzipiert. Aufgrund der Größe der Formate sind statische Profile, die den 4 Tragprofilen vorgesetzt sind, erforderlich. Damit entsteht gleichzeitig eine durchaus gewünschte räumliche Tiefenwirkung der Fenster; gleichzeitig sind die statischen Profile mit ca. 50 mm so schmal, dass die Fenster sehr elegant wirken werden und an die Ursprungsgestaltung anknüpfen.

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Die Putzbänder, die die Fenster zu Fensterbändern fassen, wurden mit der Sanierung wieder in einer zeittypischen Farbfassung gestaltet werden.

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Als Farbton für die Fenster wurde DB703 ausgewählt, ein Anthrazitton mit Eisenglimmereffekt. Damit erhalten die Fenster zudem eine gewisse Haptik sowie industrielle Optik und fügen sich in die rauhe Klinkerschale ein. Die ebenfalls auszutauschenden Fensterbleche wurden materialgerecht in Titanzink ausgeführt.

Das vertikale Treppenhausfensterband wurde als Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgeführt – auch hier der Versuch, den ursprünglichen Gestaltungsabsichten nahe zu kommen.

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Gleichzeitig erfolgte die Vergrößerung der Hauptzufahrt, die durch die beiden lebensgroßen Plastiken aus Rochlitzer Porphyr geprägt ist. Aufgrund der räumlichen Enge und der historischen Breite von 6 m kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen beim Befahren mit LKW und zu Beschädigungen der denkmalgeschützten Porphyrpfeiler. Die beiden Pfeiler wurden neu errichtet und jeweils 1,25 m in beide Richtungen verschoben, so dass die Zufahrtsbreite nunmehr 8,50 m beträgt – die Symmetrie aber weiterhin gewahert bleibt. Die Figuren zeigen zum einen einen strickenden Schäfer und zum anderen einen Bauern mit Sack und Pfeife und wurden in diesem Zusammenhang umfangreich restauriert.

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Denkmalgerechte Sanierung der Hauptfassade des Fabrikgebäudes der ehemaligen NOWA Strumpffabrik AG in Bernsdorf / TSG Holding e.K. sowie Vergrößerung und Restaurierung der Hauptzufahrt

Kategorien: Industrie, Freiraum, Tragwerk
Bauherr: TSG Holding e.K., www.tsg-group.de

Entwurf: Hendrik Heine

Leistungen: Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und Tragwerksplanung
Leistungsbeginn: 2021
Ferigstellung: 2024

Fotos: Till Schuster

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